08.04.2011
Rubrik: Markt

Demenz

Pflegeheime zahlen bei ungenügender Beaufsichtigung

Wenn demenzkranke Patienten aus einem Pflegeheim weglaufen und sich verletzen, muss der Pflegeheimbetreiber bei Vernachlässigung der Betreuungspflicht ein Schmerzensgeld zahlen. Dies entschied in einem aktuellen Urteil das Thüringer Oberlandesgericht in Jena (Az.: 2 U 567/10).



Im vorliegenden Fall hatte eine an Demenz erkrankte Dame unbemerkt das Pflegeheim verlassen, in dem sie für drei Wochen während des Urlaubes ihrer Tochter untergebracht war. Die 73jährige konnte erst drei Tage später von der Polizei in einem Zustand der Verwirrung aufgefunden werden. Sie war auf einer Wiese gestürzt und hatte sich dabei die Schulter gebrochen. Das Schultergelenk wurde infolge der Verletzung schwer geschädigt, ihren Arm kann die Frau nur noch eingeschränkt bewegen.

Bereits im Juni 2010 hatte das Landgericht Mühlhausen die Pflegeeinrichtung zur Zahlung eines Schmerzensgeldes von 10.000 Euro sowie zu einer monatlichen Rente in Höhe von 150 Euro verurteilt. Gegen dieses Urteil legte die Pflegeheimbetreiberin jedoch Berufung ein und begründete diesen Schritt mit dem Argument, dass sie eine offene und keine geschlossene Einrichtung unterhalte, folglich eine hundertprozentige Überwachung der Dame weder hätte gewährleisten können noch müssen.

Der zweite Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichtes wies die Berufung zurück. Zwar muss das Pflegeheim nun keine monatliche Rente zahlen, jedoch wurde das Schmerzensgeld sogar auf 20.000 Euro erhöht.

Zur Begründung führte das Gericht an, dass das Pflegeheim seine Betreuungspflichten aus dem Heimvertrag fahrlässig verletzt habe. Eine lückenlose Beaufsichtigung sei schon deshalb geboten gewesen, weil eine Selbstgefährdung der Patientin nicht ausgeschlossen werden konnte.
So war den Pflegekräften bekannt, dass die Frau bereits zu Hause mehrfach weggelaufen sei. In einer fremden Umgebung habe zusätzlich ein erhöhtes Risiko bestanden, dass sich die Demenzkranke verläuft und orientierungslos umherirrt. Auch war die Dame bereits als Ausreißerin aufgefallen: am ersten und zweiten Tag ihres Heimaufenthalts hatte sie das Haus unbemerkt verlassen können, mit einem erneuten Davonlaufen sei zu rechnen gewesen.

Das Urteil des Thüringer Landesgerichtes ist noch nicht rechtskräftig. Zwar hatte der Senat die Revision zum Bundesgerichtshof nicht zugelassen, jedoch kann die Pflegeheimbetreiberin gegen die Nichtzulassung Beschwerde einlegen.
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