27.06.2010
Rubrik: Markt

Verkehr

Nicht immer gilt: „Wer auffährt, hat Schuld.“

Nicht immer kann der Hintermann bei einem Auffahrunfall schuldig gesprochen werden. Das Oberlandesgericht Hamm entschied mit einem Urteil vom 15. April 2010 (Az.: 6 U 205/09), dass ein Fahrzeughalter, der nicht beweisen kann, dass der Fahrer des hinter ihm fahrenden Autos aufgefahren ist, auch die Beweiserleichterung in Form des sogenannten Anscheinsbeweises nicht in Anspruch nehmen kann.


Der Auffahrunfall ist eine besondere Art des Verkehrsunfalls. In der Regel wird dem auffahrenden Fahrzeugführer die Schuld dafür zugesprochen, da dieser den Sicherheitsabstand nicht eingehalten hat oder nicht der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfaltspflicht gerecht wurde. Diese grundsätzliche Vermutung der Schuld des Auffahrenden nennt man Anscheinsbeweis.

Die Deutsche Anwaltshotline teilte mit, dass ein Mercedes und ein Porsche hintereinander vor einer Kreuzung angehalten hatten. Wenig später kam es zu einer Kollision der beiden Wagen. Die Aussagen, wie es dazu kam, waren widersprüchlich:
Während die Fahrerin des Porsche insistierte, der Mercedesfahrer sei plötzlich zurückgefahren, behauptete jener, dass die Porschefahrerin auf sein Fahrzeug aufgefahren sei und berief sich dabei auf den Anscheinsbeweis.
Danach steht der Aufgefahrene in der Pflicht, den Beweis dafür zu erbringen, dass er den Unfall nicht verursacht hat.
Der Mercedesfahrers meinte, die Lebenserfahrung spreche dafür, dass ein Vordermann an der Haltelinie einer Kreuzung sein Fahrzeug nicht zurücksetzt habe, sondern der Hintermann aufgefahren ist. Die Porschefahrerin aber hatte auf eine Zahlung von Schadensersatz geklagt.

Die Richter des Hammer Oberlandesgerichts gaben beiden Fahrzeugführern teilweise recht:
Ein Autofahrer, der nach einem behaupteten Auffahrunfall den Beweis des ersten Anscheins für sich in Anspruch nehmen will, muss zunächst einmal beweisen, dass der Auffahrunfall überhaupt stattgefunden hat. Kann er diesen Beweis nicht erbringen, so greift der Anscheinsbeweis nicht.
Die Beschädigung im Frontbereich des Porsches hätte aus technischer Sicht sowohl durch Zurücksetzen als auch durch Auffahren verursacht worden sein können, hatte ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger bescheinigt. Daher hielt es das Gericht für nicht erwiesen, dass die Porschefahrerin auf den vor ihr stehenden Mercedes aufgefahren war und verurteilte den Versicherer des Mercedesfahrers dazu, sich zu 50 Prozent am Schaden des Porsches zu beteiligen.

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