08.08.2011
Rubrik: Vertrieb

Urteil

Anruf? Nein danke!

Wer kennt das nicht? Sonnabend klingelt früh das Telefon, noch im Pyjama schlürft man verschlafen zum Gerät, doch am anderen Ende der Leitung ist nicht etwa die Oma, um einen Überraschungsbesuch anzumelden – sondern eine Werbeagentur. Häufig werden überteuerte Reisen angepriesen, Zeitungsabonnements und sogar Versicherungen.



Solche Anrufe sind äußerst ärgerlich, und so hat der Gesetzgeber den Anbietern enge Grenzen gesetzt. Jeder Werbeanruf stellt eine unzumutbare Belästigung dar, wenn der Verbraucher nicht vorher ausdrücklich seine Einwilligung gab: Das „Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb“ lässt hieran keinen Zweifel (§7 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Auch befindet sich der Werbende in der Pflicht, das Einverständnis des Angerufenen nachweisen zu können. Kann eine Firma diesen Nachweis nicht erbringen, muss sie im Falle einer Beschwerde mit einer Strafe rechnen.

Krankenkasse fällt mit unlauterer Telefonwerbung auf

In einem aktuell verhandelten Gerichtsurteil wurden nun erneut die Rechte der Kunden bestätigt. Diesmal war es eine Krankenkasse, die mit fragwürdigen Methoden um neue Kunden warb. Im Jahr 2007 startete die AOK Plus, Ortskrankenkasse für Sachsen und Thüringen, eine großangelegte Werbeaktion, für die ein Call Center über 93.000 Verbraucher anklingelte. Mehrere Verbraucher beschwerten sich daraufhin bei der Verbraucherzentrale Sachsen, die eine Unterlassungserklärung der AOK forderte. Nach einem langen Rechtsstreit über drei Instanzen sprach schließlich der Bundesgerichtshof ein Urteil, mit dem die Unrechtmäßigkeit der Werbeanrufe bekräftigt wurde.

„Double-Opt-In-Verfahren“ per Email unzulässig

So hatte die beklagte AOK behauptet, die Einwilligung der Verbraucher durch ein sogenanntes „Double-Opt-In-Verfahren“ im Internet erhalten zu haben. Die Krankenkasse argumentierte, dass die Verbraucher an einem Online-Gewinnspiel teilgenommen hätten, dort auch ihre Telefonnummer freiwillig angeben konnten und durch das Anklicken eines Feldes ihr Einverständnis mit Telefonwerbung erklärten. Daraufhin habe die AOK den Gewinnspielteilnehmern eine zusätzliche Kontrollmail geschickt, so dass die Kunden erneut ihr Interesse an der Gewinnspielteilnahme bestätigen mussten: hierfür war das Anklicken eines extra Links erforderlich. Hatte sich die AOK also des ausdrücklichen Einverständnisses der Kunden zu der Telefonaktion versichert?

Die Richter des Bundesgerichtshofes argumentierten jedoch, dass ein derartiges Online-Verfahren nicht ausreichend sei, um das Einverständnis der Verbraucher zu beweisen. Stattdessen hätte die AOK den Ausdruck einer Mail vorzeigen müssen, in der sich der Angerufene ausdrücklich mit Telefonwerbung einverstanden erklärt. Diesen Nachweis konnte die AOK jedoch nicht erbringen: folglich seien die Werbeanrufe als unzumutbare Belästigung zu werten.

Der Bundesgerichtshof erteilte der lästigen Telefonwerbung somit eine klare Absage – nur eine vollständig vorliegende Dokumentation der Einverständniserklärung rechtfertigt den Werbeanruf. Wer als Internetnutzer versehentlich ein Fenster anklickt, weil er an einem Gewinnspiel teilnimmt, muss derartige Anrufe folglich nicht dulden (Urteil vom 10. Februar 2011, I ZR 164/09)

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